Direktbanken grenzen den Zugang zu gebührenfreien Girokonten ein

Immer mehr Banken führen Kontoführungsentgelte ein. Mittlerweile auch reine Onlinebanken. Doch dahinter steckt eine paradoxe Strategie: Die Institute wollen Kunden enger an sich binden.

Berlin-Reine Onlinebanken konnten lange damit punkten, Girokonten komplett kostenlos anzubieten. Im Gegensatz zu Filialbanken unterhalten Direktbanken keine Niederlassungen in den Städten vor Ort, bieten häufig keine persönliche Beratung an und haben auch nur wenige eigene Geldautomaten. Diese zusätzlichen Kosten können sie sparen. Während Deutsche Bank, Sparkasse oder Deutsche Post schon lange ein Kontoführungsentgelt für Girokonto-Kunden verlangen, war dies bei Direktbanken lange ausgeschlossen. Ist das jetzt vorbei?

Die Direktbank ING will ab Mai für einige Kunden Gebühren erheben.
Die Direktbank ING will ab Mai für einige Kunden Gebühren erheben.Imago Images

Mittlerweile gibt es erste Maßnahmen auch in den Reihen der Direktbanken, Gebühren einzuführen. Doch paradoxerweise gerade deshalb, weil die Online-Banken Kunden enger an sich binden wollen.

So will die ING, vormals ING Diba, ab Mai für solche Kunden eine Gebühr von 4,90 Euro monatlich verlangen, die älter als 27 Jahre sind und keinen monatlichen Geldeingang von mindestens 700 Euro vorweisen können. Auch die Fidorbank, ebenfalls eine Direktbank, hat an der Gebührenschraube gedreht. Das Kontoführungsentgelt beträgt fünf Euro monatlich, außer der Kunde tätigt in diesem Zeitraum mindestens zehn Transaktionen. Anfang des Jahres hat außerdem bereits die Netbank eine Kontoführungsgebühr von 4,85 Euro monatlich eingeführt – und zwar für alle Kunden.

Doch letzteres, also eine Gebührenanhebung für alle Kunden, bleibt bei den Direktbanken die Ausnahme. Hinter den neu eingeführten Richtlinien von ING und Fidorbank steht eine andere Strategie. Nämlich die, Kunden komplett an sich zu binden.

ING: Die Anzahl der Hausbank-Kunden soll steigen

„Ein Teil der Kunden von Direktbanken nutzen die Girokonten dort nur, um von der kostenlosen Bargeldversorgung zu profitieren, das eigentliche Gehaltskonto haben sie aber bei anderen Banken“, sagt Horst Biallo, Betreiber des gleichnamigen Portals, das unter anderem Girokonto-Vergleiche vornimmt. „Das wollen die Banken ändern, sie wollen selbst erster Ansprechpartner für die Kunden sein.“ Das bestätigt auch die ING selbst so. Bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz sagte der Vorstandsvorsitzende der ING Deutschland, Nick Jue, dass man vermehrt zum Ansprechpartner bei sämtlichen Finanzfragen werden wolle. Die Anzahl der Hausbank-Kunden sollen steigen.

Unter denen, die von der neuen Gebühren-Richtlinie betroffen sind – immerhin ein Viertel aller Girokonto-Besitzer bei der ING – werden zum Großteil Zweitkonto-Kunden sein. „Selbst der Sozialhilfesatz liegt über 700 Euro, die neue Richtlinie wird also weniger ärmere Menschen treffen als tatsächlich Kunden mit Zweitkonto bei der ING“, so Biallo. Und mit Kunden, die ihr Konto nur als Zweitkonto nutzen, verdienen die Banken kein Geld. Sondern nur dann, wenn das Konto rege genutzt wird.

Zertifizierte Vergleichsplattform
EU-Richtlinie: Die Bundesregierung ist verpflichtet, eine kostenlose und objektive Vergleichswebsite für Girokonten zu schaffen, um Verbrauchern einen Durchblick im Gebührendschungel zu ermöglichen. Eine solche Vorschrift ist mit einer EU-Richtlinie bereits am 31. Oktober 2018 in Kraft getreten.

Zulassung: Das Zulassungsverfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Erst im Dezember 2019 hat mit dem Tüv Saarland die erste Prüforganisation das Akkreditierungsverfahren erfolgreich durchlaufen. Doch Portalbetreiber, die einen Girokonto-Vergleich stellen könnten, sind noch nicht gefunden.

Denn immer wenn mit der Karte im Handel bezahlt wird, geht ein kleiner Prozentsatz des Zahlbetrags an die Bank. „Dann verdienen Direktbanken auch bei kostenfreien Girokonten im Hintergrund mit“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Solche Beträge fallen natürlich viel öfter an, wenn die Karte regelmäßig eingesetzt wird. Und nicht, wenn nur Geld abgehoben wird – im Gegenteil. Bei jeder Abhebung wird wiederum der Bank Geld berechnet. Bei Benutzung einer Visa-Karte sind das jedes Mal 1,70 Euro.

„Eine Strategie, diese Kosten zu senken, gab es bei der ING schon vor einer Weile“, sagt Biallo. Seit Juli 2018 müssen am Automaten mindestens 50 Euro abgehoben werden. So will das Unternehmen kleinere, dafür häufigere Abhebungen vermeiden. Und die Richtlinie der Fidorbank mindestens zehn Transaktionen im Monat tätigen zu müssen, um vom Kontoführungsentgelt verschont zu bleiben, geht in die gleiche Richtung. Eine weitere und zudem größere Einnahmenquelle sind andere Bankprodukte wie Ratenkredite, Wertpapiere oder Versicherungen. Und auch die schließen Kunden vorwiegend mit ihren Hausbanken ab.

Nur noch wenige Gratis-Girokonten

Direktbanken wollen sich das Geschäft aber nicht nehmen lassen. Die Frage bleibt trotzdem, ob das Girokonto für Hausbank-Kunden kostenlos bleibt. Schließlich gibt es mit der Netbank bereits ein Online-Institut, das durchweg Gebühren verlangt.  „Bei einem Geldeingang von 700 Euro bleibt das Girokonto kostenlos“, sagt ein Sprecher der ING. In die Zukunft könne man aber nicht schauen, sagt er auch. Auch die große Direktbank DKB lässt sich auf Nachfrage zu keiner anderen Formulierung hinreißen, als dass es weiterhin ein kostenfreies Girokonto gibt. Ein Versicherung für die Zukunft wird nicht gegeben.

Nach einer Erhebung des Portals Biallo von Anfang Februar gibt es in Deutschland derzeit noch 45 Banken und Fintechs, die ein kostenloses Girokonto bieten. Wobei bei der Auswertung auch solche Banken gezählt wurden, die, wie ING und Fidorbank, nur mit Nebenbedingungen kostenfrei sind. Die größte Gruppe von Gratis-Anbietern sind demnach Smartphone-Banken oder auch die Bankengruppe PSD.

Ob bald noch mehr Banken Gebühren erheben, hänge allein von der Geschäftspolitik der Institute ab, sagt Verbraucherschützer Nauhauser. „Die Bankenlobby verbreitet das Narrativ, dass sie sich wegen der allgemeinen Geldpolitik und der niedrigen Zinsen gezwungen sehen, neue Entgelte einzuführen“, sagt er. „Das überzeugt nicht. Genauso gut könnten sie auch Kosten senken, etwa die Vorstandsbezüge. Mit dem Narrativ wollen sie Akzeptanz für Preissteigerungen erzeugen, um ihre Gewinne zu maximieren.“